Sunmu


Erläuterungen
Die Sonne von Choseon
Als Sunmu noch in Nordkorea lebte, träumte er davon, den großen Führer KIM Il-sung zu treffen. Hier wird KIM Il-sung zur Ehrung proträtiert. Die Farbe Pink symbolisiert die Zukunft, die Utopie, als rosarot verklärte Welt. KIM Il-sung in schwarzem Anzug mit Krawatte ist ein unwöhnlicher Anblick, denn normalerweise tragen die nordkoreanischen Staatsoberhäupter den Volksanzug. Sunmu versetzt den verstorbenen, ikonisch gewordenen Führer symbolisch in den Ruhestand.
Kim Il-sung-Blume
Diese rote Orchidee wird in Nordkorea »Kim-Il-sung-Blume« genannt: Sie war Geschenk eines indischen Botanikers für KIM Il-sung zum 70. Geburtstag. Sein Sohn, KIM Jong-il, gab der Orchidee den Namen. Sunmu hängt das Bild absichtlich unter das Porträt von KIM Il-sung. Die Blütenzweige schreiben englisch no: Nein zur »Sonne von Choseon«! Was soll man damit, wenn Menschen verhungern?
*Erklärung: Choseon
Korea nannte sich von 1392 bis 1897 »Choseon«. Kurz vor der Annexion durch Japan rief König Kojong das Kaisereich »Daehan Cheguk« (»Großes Han«) aus. Nach der Annexion verschwand Korea von der Landkarte; es wurde ein Teil Japans. Mit der nachfolgenden Teilung wählte Südkorea die Bezeichnung »Daehan«, vollständig: »Daehan Minguk« (»Republik Korea«); Nordkorea behielt die alte Bezeichnung »Choseon« bei und gab sich den Namen »Choseon Inmin Gonghwaguk« (»Demokratische Volksrepublik Korea«).
Park Chung-hee 1
Das Werk wurde zuvor zusammen mit dem Porträt von Kim Jong-il ausgestellt. Es ist eine Anspielung darauf, dass sich ein Diktator Südkoreas kaum von dem Diktator Nordkoreas unterscheide.
Erläuterungen
Wer bist du? I [Kim Jong-Il]
Wer bist du? II [Kim Jong-Eun]
Auf roten Hintergrund sind die nordkoreanischen Staatsoberhäupter Kim Jong-il und Kim Jong-un zu sehen. Vom Mond lächelt Mickey Mouse, an deren Stelle gemäß nordkoreanischer Ikonographie der großer Führer Kim Il-sung dargestellt sein müsste. Damit will Sunmu den Wunsch nach Öffnung Nordkoreas gegenüber der kapitalistischen Welt ausdrücken.
Lass uns zusammen spielen
Hoffnung des Künstlers ist, dass die abgeschlossene nordkoreanische Gesellschaft mit der Außenwelt in Beziehung tritt. Er wünscht sich, dass die Figuren Walt Disneys, Symbole des Kapitalismus, mit den nordkoreanischen Bewusstseinsbildern spielen !
Ideologie
Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un und die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye grüßen Arm in Arm den Betrachter wie einen Teilnehmer einer politischen Massenveranstaltung. Bunte Ballons fliegen zur Gratulation ihres Erfolges auf. Auf den Ballons sind die Gesichter aller bisherigen Präsidenten auf der koreanischen Halbinsel dargestellt: Kim Il-sung, Kim Gu, Kim Jong-il, Kim Dae-Jung, Kim Young-sam, Roh Mu-hyun, Rhee Syng Man, Park Chung-Hee, Chun Doo-hwan, Roh Tae-Woo und Lee Myung-bak.

Nordkoreanische Staatsoberhäupter
  • Kim Il-sung(1948-1994)
  • Kim Jong-il (1994-2011)
    Staatschef der Exil- und provisorischen Regierung
  • Kim Gu (1940-1947)
Südkoreanische Staatsoberhäupter
  • Rhee Syng Man (1948-1960)
  • Yun Bo-Seon (1960-1962)
  • Park Chung-Hee (1962-1979)
  • Choe Kyu-Ha (1979-1980)
  • Chun Doo-hwan (1980-1988)
  • Roh Tae-Woo (1988-1993)
  • Kim Young-sam (1993-1998)
  • Kim Dae-Jung (1998-2003)
  • Roh Mu-hyun (2003-2008)
  • Lee Myung-bak (2008-2013)


Sunmu – geboren 1972 in Nordkorea – wurde in der nordkoreanischen Armee als Propagandakünstler ausgebildet, später studierte er an einer Kunsthochschule. In der Zeit schwerwiegender Hungersnot in den 1990er Jahren flüchtete er nach China und später über Thailand und Laos nach Südkorea. Seitdem lebt und arbeitet er als Maler in Seoul. In Seoul hat er auch ein Zweitstudium der visuellen Künste aufgenommen.
Im Jahr 2007 hat er (zusammen mit dem Fotograf Suntag Noh) an der Ausstellung „We are Happy“ in der Gallerie Curiosity, Seoul teilgenommen. 2008 hatte er seine erste Einzelausstellung unter dem gleichen Titel bei der Alternative Space Chunggeong gak, Seoul. Aus Rücksicht auf seine Familie in Nordkorea verwendet er den Künstlername „Sunmu“ anstelle seines echten Namens und erlaubt keine Fotos seines Gesichts.



Mein Notizbuch

Auch mir ist mein Herz geschenkt von den Eltern,
Mit einem Bildnis hat es jemand bedeckt.
Ich war dankbar und glücklich, ihm zu gehören,
Er wurde alles für mich.
Die Welt aber macht mich zur Waise mit liebenden Eltern.
Sie gab mir die Schmerzen der Trennung,
Sie gab mir wieder Erkennen,
Sie gab mir grenzenlos Mut.
Das Bild auf dem Herzen zerfiel.
Jetzt schlägt mein Herz nur für mich.
Ich bin Ohne Grenzen – Sunmu.

Es war was ich glaubte.
Es war was ich wusste.
Es war mein Leben.
Ist dies das Glück, will ich es nicht haben.
Ist dies alles, will ich nicht sein.

Jetzt also weiß ich, was nicht mir gehört.
Jetzt, schreie ich auf vor der Welt.
Ich bin Ohne Grenzen – Sunmu.

Am Ende der Trennung, der niemals gewünschten, warf ich mich in bergende Wildnis.
In Furcht jeden Tag, entdeckt und vertrieben zu sein.
Dann fern von zu Haus, an Neujahr, schrieb ich einen Brief an meine Familie.
Nicht hoffend, sie könnten ihn lesen, nur betend, dass sein Geist sie erreicht.

Ich wollte nicht die Schmerzen der Trennung.
Ich wollte nicht das Leben der Sklaven.
Ich wollte nicht – sterben.
Die Sonne steht strahlend am Himmel.
und die Kämpfe derer im Dunkel
Beschweren mein Herz.
Für wen ist Ideologie?
Für wen Politik ?
Für wen ist der Krieg?

Der Himmel sei gnädig mit uns.

Sommer 2014 in Bejing, China

Übersetzt aus dem Koreanischen Han Nataly Jung-Hwa unter Mitwirkung von Kai Lorenz

작가노트

나에게도 부모님이 주신 심장이 있다
누군가 그 심장 위에 빨간 초상휘장을 달아 주었다
누군가의 신하된 것에 감사하며 좋아했고
그것은 나의 전부가 되였다
세상은 나를 고아 아닌 고아로 만들었고
리별의 아품을 주었고
새로운 만남을 주었고
크나큰 용기를 주었다
누군가 달아주었던 내 심장 위의 초상 휘장은 떨어졌다
온전히 나를 위해 뛰는 심장이 내게도 있다.
나는 선무다

오직 그것만을 믿었습니다
오직 그것밖에 몰랐습니다.
오직 그것이 삶의 전부였습니다.
그것이 행복이라면 행복하지 않겠습니다.
그것이 전부라면 살 생각이 없습니다.
그것이 아닌 나를 알았습니다.
이제 세상에 대고 소리칩니다.
나는 선무라고

원치 않은 리별을 하며 이 몸을 광야에 던져버렸다
챈쑹의 두려움과 공포속에 하루 하루를 보내야만 했다
가 닿으리라 생각지는 않치만 해도 넋이라도 전해다오
타향에서 새해를 맞으며 부모형제들에게 삼가편지를 씁니다.
나는 리별의 아품을 원치 않았다
나는 노예의 삶을 원치 않았다
나는 죽는 것을 원치 않았다
저 하늘의 태양은 찬란한 빛을 주지만
빛 잃은 어둠 속에 삶들의 몸부림은
이 가슴을 아프게 하는구나
누굴 위한 리념//인가
누굴 위한 정치인가
누굴 위한 전쟁인가
하늘이시여 굽어 살펴주소서

2014년 여름 중국 베이징에서 ….




Augenblicke

- Aus den Notizen des Künstlers Sunmu

(...) Ich war neugierig, wie man meine Arbeiten ausgestellt hat.

Vor der Eröffnungsfeier der Busan Biennale 2008 liefen erst Dutzende von Beamten aus Busan mit den Kuratoren durch die Ausstellungshalle. Nach ihrer Besichtigung ging ich dann zu der Stelle, an der meine Bilder hängen sollten. Sie waren nicht mehr da.

Ich schaute herum und sah dann einen aus dem Team meine Bilder ins Lager tragen. Ich lief natürlich zu ihm hin und fragte, warum er meine Bilder versteckt. Erst nach einigem Zögern gab er zu, dass der Kurator ihm befohlen hatte, sie abzuhängen.

Als ich den Kurator zur Rede stellte und nach dem Grund fragte, bekam ich – keine Antwort. Also ging ich zum Generalintendanten der Biennale und fragte ihn. Er ließ die Bilder abhängen, weil Gefahr bestand, dass höhere Institutionen Beschwerde einlegen.

Ich war sprachlos.

Was bedeutet die Kunst bei der Konfrontation der Ideologien zwischen Nord- und Südkorea?

Was kann ich eigentlich ausrichten? (...)

Dezember 2008


(...) Der Ministerpräsident der Republik Korea sagt den Besuch bei der Europäischen Handelskammer in Seoul ab. Grund dafür sei, dass dort ›Porträtbilder‹ von Kim Il-Sung und Kim Jong-Il ausgestellt wären.

Wie dumm das alles ist. (...)

Dezember 2011


Übersetzt aus dem Koreanischen Han Nataly Jung-Hwa




Sunmu – Jenseits der Grenze

Kim Jong-Gil

Ich widerstrebe dem jeder politisch-ideologischen Macht eingeborenen bösen Willen, die Wahrheit zu verheimlichen oder zu verfälschen, gleich welcher Herkunft sie sei – links oder rechts. Ich versuche, die Wahrheit herauszufinden und der Welt bekannt zu machen. Das ist das Ziel meines Schreibens und ich verfolge es unbeirrt. Die Wahrheit kann nur durch ein Gespür für das Gleichgewicht erkannt werden: wie der linke und der rechte Flügel des Vogels zugleich wirken müssen, um einen unbeirrten Flug zum Ziel zu ergeben. (Aus »Der Vogel fliegt mit dem ›linken und dem rechten‹ Flügel« von Rhee Young-Hee).

Hier ist nun ein Mensch namens Sunmu. Er wuchs in Nordkorea auf, lebt aber heute in Südkorea. Früher unterschied sich sein Leben kaum von dem Leben anderer nordkoreanischer Jugendlicher – jetzt, in Südkorea, führt er das Leben eines Südkoreaners. Ein solcher Lebenslauf ist für uns Koreaner_innen kaum vorstellbar. Für uns liegt zwischen Nord- und Südkorea eine verbotene Grenze, die nicht überquert werden darf.


Der Künstler namens Sunmu

Das Überschreiten von symbolischen Linien und Grenzen, das Gespräch mit Menschen »der anderen Seite« sind seit jeher aktuelle Themen in Südkorea und die derzeitige Präsidentin traf sich während ihres Wahlkampfes täglich mit Menschen aus dem »anderen« politischen Lager. Sie betonte mehrmals, wie wichtig es sei, eine große Einheit zu bilden und miteinander zu kommunizieren. Solange man aber, wie sie, davon spricht, die Gesprächspartner seien »von der anderen Seite«, bedeutet das noch immer, dass sie »nicht von dieser Seite« sind, noch immer von der eigenen Identität abweichen. Nur weil man eine symbolische Trennlinie überschreitet, hat man nicht schon kommuniziert oder sich gar miteinander vereinigt. Um die Grenze wirklich überwinden zu können, genügt es nicht, zu wissen, dass sie trennt, sondern man muss sich vollkommen dessen bewusst sein, was sie trennt.

Ich denke, dass für uns, die Koreaner_innen, die Demarkationslinie am 38. Breitengrad das politisch wichtigste Symbol ist. Nach der Befreiung [von der japanischen Kolonialherrschaft] am 15.08.1945 wurde sie als bloße Verwaltungsgrenze durch die UNO-Treuhänder USA und UdSSR gezogen, ist aber zu einer bis heute unüberwindlichen Barriere geworden, nachdem der beginnende Kalte Krieg zwischen diesen Mächten den Korea-Krieg hervorgebracht hatte (1950-53). Sie ist nicht nur das Symbol der Teilung zwischen Nord- und Südkorea, sondern eine nicht heilende Wunde im Bewusstsein des koreanischen Volkes.

Am 2.Oktober 2007 überquerte der damalige südkoreanische Präsident Roh Moo-Hyun die Demarkationslinie zu Fuß, um am zweiten innerkoreanischen Gipfeltreffen teilzunehmen.
Es war ein symbolischer Akt höchster politischer Bedeutung, dass er die gelb leuchtende Grenzlinie vor Fernsehkameras überschritt. Ich erinnere mich heute noch an den Augenblick, als der Fuß des Präsidenten diese Linie übertrat. Die Nahaufnahme füllte den ganzen Bildschirm und machte aus dem einfachen Überschreiten der Trennungslinie die Demonstration des Willens, die Tragödie der Teilung zu überwinden. Zuletzt hatte 1947 Kim Gu, der Widerstandskämpfer aus dem Exil, diese Linie überquert, um der Welt den Traum von einem vereinten Korea zu bezeugen.

Der Künstler Sunmu aus Nordkorea nahm diese Bedeutung der Grenze mit seinem Herzen auf. Er träumte vom Überspringen der Linie, vom Abriss der Barrieren, vom Verschwinden der Grenze. Seinen Namen legte er sich zu, als er in Südkorea mit künstlerischer Arbeit begann – Sunmu bedeutet ›Ohne Grenze‹/›Grenzenlosigkeit‹ und symbolisiert für ihn die Wiedervereinigung. Zwei von seinen Werken mit dem Titel »Über die Grenze« tragen doppelte Bedeutung. Zum einen spiegeln sie die unbarmherzige Wirklichkeit, in der er zuerst den Grenzfluss Tumen und dann noch unzählige weitere Grenzen überwinden musste, ehe er Südkorea erreichte. Das Überqueren des Tumen, über den er illegal nach China gelangte, war ein Moment, in dem er dem drohenden Tod ins Auge blicken musste. Zum anderen wirken in ihnen die Grenzen, denen er beim täglichen Schaffen in Südkorea unterworfen ist. Auch die südkoreanische Gesellschaft lebt heute in einer Welt, die von der neoliberalen Form des Kapitalismus bestimmt wird – und sie bedeutet für Sunmu tagtägliche Konfrontation mit Grenzen. Menschen werden in Gegensätzen wie schwarz oder weiß, links oder rechts, rechtskonservativ oder linksprogressiv, als pro-japanisch oder pro-amerikanisch kategorisiert. Südkoreaner_innen leben in einer formierten Erfahrungswelt, in der die Haltung einer Person nicht beurteilt wird, ohne sie der einen oder anderen Seite einer solchen Einteilung zuzuordnen.

Sunmu, der Künstler, aber, hört auf Zwischentöne, vermerkt, was weder dieser noch jener Seite angehört. Er dringt in die Unterscheidungen ein und sieht von ihnen aus nach beiden Seiten. Auf der Grenze stehend, stellt Sunmus Ästhetik die beiden Seiten als weder fremd noch feindlich dar. Er ruft das Volk von Norden und von Süden herbei, sich auf der Grenze aufzustellen und sich wieder als eine Nation zu begegnen.

So ist seine Ästhetik in der Tat eine ›Ästhetik der Grenzenlosigkeit‹ – Sunmu, 線無. Vor der Realität der politischen Entzweiung aber ist sie damit eine Ästhetik der Hoffnung.

Übersetzt aus dem Koreanischen von Michelle Park

überarbeitet von Han Nataly Jung-Hwa

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